Mitarbeiteraktien – Diese Risiken sollten Sie kennen!

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    Vorneweg möchte ich klarstellen, dass ich ein großer Befürworter von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bin. Ich hoffe, dass die (steuerlichen) Rahmenbedingungen hierfür in naher Zukunft signifikant verbessert werden, um vor allem Standortnachteile zu beseitigen und die Attraktivität zu erhöhen.

    In meiner Position als Berater und Vermögensverwalter von Mitarbeiteraktionären ist es jedoch meine Aufgabe, die individuellen Ziele meiner Kunden im Fokus zu haben. Dazu gehört es auch, auf Risiken hinzuweisen.

    Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Sie helfen Unternehmen dabei, die Attraktivität gegenüber Mitarbeitenden zu steigern und diese an das Unternehmen zu binden. Zudem geben Sie Mitarbeitenden die Möglichkeit, am Unternehmenserfolg zu partizipieren. Das ist grundsätzlich sehr positiv.

    Mitarbeiteraktien (Optionen auf Aktien, ESOPS, RSU‘s etc.) sind eine Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung. 

    Viele Menschen wurden in der Vergangenheit durch Mitarbeiteraktien sehr vermögend. Klar, dass sich diese Geschichten sehr gut erzählen lassen.

    Im Februar 2022 titelte Gründerszene:

    Dank Mitarbeiteraktien: Klarna hat schon 75 Millionäre hervorgebracht

    Gründerszene

    Im August des selben Jahres konnte man folgendes Lesen:

    „Ein großer Fehler, mitzumachen“: Klarna-Mitarbeiter zahlen bei Beteiligungsprogramm drauf

    Capital

    Was war passiert? Aufgrund der starken Marktkorrekturen, vor allem bei Technologieunternehmen, verloren die Aktien (bzw. die Optionen darauf) stark an Wert. Steuerliche Rahmenbedingungen stellten sich dabei als besonders hinderlich dar.

    Details dazu können Sie direkt bei Capital nachlesen: https://www.capital.de/geld-versicherungen/klarna-mitarbeiter-zahlen-bei-beteiligungsprogramm-drauf-32637160.html

    Mir geht es heute eher um das grundsätzliche Risiko von Einzelaktien, welches vielen Menschen nicht bewusst ist.

    Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich mit Kunden spreche, die bei Unternehmen wie Apple, Spotify, Microsoft und deutschen StartUps arbeiten und die ich bezüglich der Vermögensplanung und Vermögensverwaltung betreuen darf. Sie haben häufig enorme Aktienpakete bei ihrem Arbeitgeber. Die Folge ist eine sehr hohe Risikokonzentration, welche enorme Auswirkungen haben kann.

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    Gute Risiken – Schlechte Risiken

    Bei Investitionen müssen Anleger zwischen guten und schlechten Risiken unterscheiden. Ein gutes Risiko ist ein Risiko, für das man in Form von höheren erwarteten Erträgen entschädigt wird. Aktien sind zum Beispiel riskanter als festverzinsliche Anlagen. Daher müssen Aktien die Anleger für das höhere Risiko entschädigen, indem sie eine höhere Rendite erwarten lassen. Das Risiko besteht darin, dass die erwarteten Erträge nicht eintreten – höhere erwartete Erträge sind nicht garantiert. 

    Das schlechte Risiko ist das, für das die Anleger keine Entschädigung in Form von höheren erwarteten Renditen erhalten. 

    Der Fall Wirecard

    Nehmen wir den Fall Wirecard. Es galt als der große digitale Hoffnungsträger in Deutschland. Die Aktienkurse erreichten im August 2018 einen Höchststand von 193,45 € pro Aktie und stürzten dann bis Ende September 2020 auf unter 1€ ab; schließlich ging das Unternehmen in die Insolvenz. Ein sehr plakatives Beispiel, wie sich die Risiken, die von der Investition in Einzelaktien ausgehen, materialisieren können. 

    Da diese Art von Risiko leicht gestreut werden kann, entschädigt der Markt die Anleger nicht für das Eingehen der Risiken von Einzelaktieninvestments. Es handelt sich also um ein schlechtes (unkompensiertes) Risiko. Und da die Investition in Einzelaktien mit dem Eingehen eines unkompensierten Risikos verbunden ist, gleicht sie eher einer Spekulation als einer Investition.

    Die Vorteile der Diversifizierung liegen auf der Hand und sind allgemein bekannt. Durch Diversifizierung kann das Risiko einer unzureichenden Performance verringert werden, während gleichzeitig die Schwankung und Streuung der Renditen reduziert wird, ohne dass die erwarteten Renditen sinken. Daher gilt ein diversifiziertes Portfolio sowohl als effizienter als auch umsichtiger als ein konzentriertes Portfolio. 

    Obwohl eine Risikokonzentration auf ein einzelnes Unternehmen die falsche Art von Risiko für Anleger ist, halten viele Anleger konzentrierte Positionen in einzelnen Aktien – auch als Ergebnis einer Mitarbeitervergütung. 

    Warum halten Anleger in Anbetracht der Vorteile der Diversifizierung keine stark diversifizierten Portfolios? 

    Häufige Gründe für die Investition in Einzelaktien

    Die meisten Anleger haben keine Finanzwirtschaft studiert, keine wissenschaftlichen Fachzeitschriften und keine Bücher über die moderne Portfoliotheorie gelesen. Daher wissen sie nicht, wie riskant einzelne Aktien sind und wie viele Aktien erforderlich sind, um ein wirklich diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Ebenso wenig kennen sie den Unterschied zwischen dem kompensierten (guten) und dem unkompensierten (schlechten) Risiko. 

    Einzelne Anleger halten an ihrem Glauben fest, dass sie über mehr und bessere Informationen verfügen als andere und dass sie durch die Auswahl von Aktien profitieren können.

    Die Anleger haben die falsche Vorstellung, dass sie ihre Risiken besser steuern können, wenn sie die Anzahl der von ihnen gehaltenen Aktien begrenzen.

    Die Anleger verwechseln das Vertraute mit dem Sicheren. Sie glauben, dass ein Unternehmen, weil sie es kennen, eine sicherere Anlage sein muss als ein Unternehmen, das sie nicht kennen. Dies führt dazu, dass sie ihre Bestände auf einige wenige Unternehmen konzentrieren. Zum Beispiel jenes in welchem sie arbeiten.

    Leider kann diese Art von Fehlern zu tragischen Vermögensverlusten führen. Ein Blick auf die Fakten zeigt, dass es durchaus üblich ist, dass selbst Aktien, die lange Zeit eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aufwiesen, irgendwann eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung aufweisen oder sogar untergehen.

    U.S.-Beweise für die Risiken von Einzelaktien

    Hendrik Bessembinder, Autor der Studie Do Stocks Outperform Treasury Bills?  aus dem Jahr 2018, untersuchte die Performance einzelner Aktien an den Börsen NYSE, AMEX und Nasdaq im Zeitraum 1926-2015. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung seiner wichtigsten Ergebnisse, die die meisten Leser schockieren dürften:

    Selbst auf Sicht von zehn Jahren übertrafen nur 47,7 Prozent der Aktien die Performance von T-Bills (US-Einmonats-Schatzwechseln als „risikofreie“ Anlage), nur 49,2 Prozent hatten eine positive Lebenszeitrendite, und der Median der Lebenszeitrendite betrug -3,7 Prozent. 

    Die lotterieähnliche Verteilung der Renditen spiegelt sich darin wider, dass nur 2,3 % der Aktien über die gesamte Haltedauer hinweg eine Rendite erzielten, die über der mittleren Lebenszeitrendite lag.

    Der Median der Zeit, in der eine Aktie in der Datenbank des Center for Research in Security Prices (CRSP) gelistet war, betrug etwas mehr als sieben Jahre. Das bedeutet, dass die meisten Aktien schlichtweg nicht überleben.

    Nur 36 Aktien waren über die gesamten 90 Jahre in der Datenbank vertreten. 

    Eine Einzeltitelstrategie schnitt in 96 Prozent der durchgeführten Simulationen schlechter ab als der wertgewichtete Markt und in 99 Prozent der Simulationen schlechter als der gleichgewichtete Markt.

    Die Einzeltitelstrategie schnitt in nur 28 Prozent der Simulationen besser ab als der einmonatige Schatzwechsel. 

    Nur 3,8 Prozent der Einzeltitelstrategien erzielten während der Haltedauer eine höhere Rendite als der wertgewichtete Markt, und nur 1,2 Prozent schlugen den gleichgewichteten Markt über den gesamten 90-Jahres-Horizont. 

    Internationale Belege für die Risiken von Einzelaktien

    Jiali Fang, Ben Marshall, Nhut Nguyen und Nuttawat Visaltanachoti, die Autoren der Studie Do Stocks Outperform Treasury Bills in International Markets?, untersuchten die Wertentwicklung von mehr als 70.000 Aktien in 57 Ländern im Zeitraum 1996-2017. Ihre Ergebnisse waren ähnlich, wenn auch noch schlechter als die Ergebnisse von Bessembinder in den USA, da der durchschnittliche Anteil der Aktien, die eine Outperformance erzielten, im Ländervergleich nur 42,4 Prozent betrug. 

    Bryan Ting und Wes Crill vom Forschungsteam bei Dimensional tragen mit ihrem Papier Singled Out: Historical Performance of Individual Stocks vom Mai 2022 zu dem Verständnis der Risikobereitschaft von Einzelaktien bei. Zu ihren wichtigsten Erkenntnissen gehören:

    Nur etwa ein Fünftel der Aktien überlebt und übertrifft den Markt über einen Zeitraum von 20 Jahren.

    Aktien überleben häufig schlichtweg nicht. Selbst solche, die schon lange bestehen und den Markt 20 Jahre lang übertroffen haben.

    Die Chance, dass eine einzelne Aktie den Markt in der Zukunft übertrifft, unterscheidet sich nicht wesentlich, wenn man ihre Leistung in der Vergangenheit berücksichtigt – im Durchschnitt überlebten etwa 30 Prozent der Aktien, die in den letzten 20 Jahren eine Outperformance erzielten, auch in den folgenden 20 Jahren. 

    Ebenfalls 30 Prozent, die in den letzten 20 Jahren eine Underperformance aufwiesen, erzielten in den folgenden 20 Jahren eine Outperformance. Mit anderen Worten: Es ist nicht wahrscheinlicher, dass die Gewinner den Markt in der Zukunft schlagen als die Verlierer.

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    Schlussfolgerungen für Anleger in Mitarbeiteraktien

    Die meisten gängigen Aktien schneiden über ihre Lebensdauer nicht besser ab als „risikolose“ Geldmarktpapiere. Die Forschungsergebnisse verdeutlichen das Risiko, das in den Renditen einzelner Aktien steckt. 

    So stellte Bessembinder fest, dass die 86 Aktien mit der besten Wertentwicklung zusammen für mehr als die Hälfte der Vermögensbildung verantwortlich sind. Und auf die 1.000 Aktien mit der besten Wertentwicklung, weniger als 4 Prozent der Gesamtheit, entfiel der gesamte Vermögenszuwachs. Die übrigen 96 Prozent der Aktien entsprachen gerade einmal der Rendite risikoloser einmonatiger Schatzwechsel! 

    Die Implikation ist verblüffend: Während den Anlegern eine hohe Risikoprämie für Aktien zur Verfügung stand, hat die große Mehrheit der Aktien negative Risikoprämien. Dieser Befund zeigt, wie groß das unkompensierte Risiko ist, das Anleger mit dem Kauf einzelner Aktien (oder einer kleinen Anzahl von Aktien) eingehen – Risiken, die ohne Verringerung der erwarteten Rendite diversifiziert werden können. Solche Ergebnisse helfen auch zu erklären, warum aktive Strategien, die in der Regel schlecht diversifiziert sind, am häufigsten zu einer schlechten Performance führen. 

    Die Ergebnisse der angesprochenen Studien verdeutlichen die wichtige Rolle der Portfoliodiversifizierung, die als einziges „Free Lunch“ bei Investitionen gilt. Leider schöpfen die meisten Anleger das ihnen zur Verfügung stehende Buffet nicht vollständig aus! 

    Wie Ting und Crill feststellten, ist die Schlussfolgerung für Anleger, dass “ein gut diversifiziertes Portfolio“ helfen kann, Marktrenditen zuverlässig zu erfassen. das Risiko einzelner Aktien zu begrenzen und die Fähigkeit zu verbessern, in Marktsegmente mit höheren Renditeerwartungen zu investieren.  Individuelle Planungen können dazu dienen, Investitionen besser an den Zielen der Menschen auszurichten, Steuern zu optimieren und individuellen Überlegungen Rechnung zu tragen.

    Vor allem für Menschen, die durch Aktien (Optionen) des Arbeitgebers ein sehr stark konzentriertes Portfolio besitzen, ist es wichtig, sich Gedanken über die individuellen Ziele zu machen und die Vermögensplanung dementsprechend auszurichten.

    Mitarbeiteraktien sind ein sehr interessanter und guter Gehaltsbestandteil. Die Risiken für die individuelle Lebensplanung sollten jedoch zwingend berücksichtigt werden.

    Am Ende geht es immer um die individuellen Ziele und die darauf abgestimmte Liquiditätsplanung. Die Frage ist: Was soll ihr Geld für Sie tun?

    Lassen Sie uns darüber sprechen. Ich bin gerne für Sie da.

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